Die Seele der Kochbücher

Über 15.000 Kochbücher hat die Bibliotheka-Culinaria, das größte deutsche Kochbuch-Antiquariat, im Sortiment. Zu jedem haben die Inhaber Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr eine Geschichte zu erzählen: spannend, skurril und amüsant. Karin Wittenstein hat den kuriosen Laden in Berlin Mitte besucht.

„Ihr lieben goldigen Menschen, liebe Freunde in Lucullus, verehrte Feinschmeckergemeinde!“, so steht es auf der Website der Bibliotheca-Culinaria. Die Inhaber Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr zitieren mit diesem Satz Clemens Wilmenrod, Deutschlands ersten Fernsehkoch und Erfinder des Toast Hawaii.

Ich betrete den Laden im Souterrain eines Berliner Bürgerhauses in Berlin Mitte und bin geplättet. Ich dachte immer, dass ich eine ansehnliche Kochbuch-Bibliothek besitze mit meinen ca. 1.500 Exemplaren. Doch was ich hier, im größten deutschen Kochbuch-Antiquariat, sehe, ist unglaublich und macht mich neugierig:

Bibliotheka Culinaria Kochbuch Antiquariat Berlin

Ich stöbere durch die vier Räume der Bibliotheca und entdecke eine Vielfalt an Kochbüchern aus allen Epochen. Ergänzt werden die kulinarischen Werke durch interessante, teils skurrile Accessoires rund um Kochen und Küche. Zum Beispiel eine Aufziehpuppe, die mit einem Schlüssel aufgezogen wird, eine Pfanne in der Hand hält und würzt und brät.

Inhaber Johannes Mohr steht vor seinem Laden und raucht eine Pfeife. Wir kommen schnell ins Gespräch, er zeigt mir seine Schätze und zieht mich damit in seinen Bann. Seit 25 Jahren sammelt er leidenschaftlich Kochbücher und ist vor einigen Jahren aus Gelsenkirchen nach Berlin gekommen. Mit der Bibliotheca-Culinaria hat er sich einen Traum erfüllt.

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Über 15.000 Titel aus vielen Epochen hat er zusammengetragen. Das älteste Exemplar stammt aus dem Jahr 1660. Behalten wird er es nicht. Denn jedes Werk, das er findet, wird zum Verkauf gebracht. Es geht ihm dabei nicht um’s Geschäft. Einen Online-Shop lehnt er kategorisch ab. Es geht ihm, so erzählt er, um die Seele in den Büchern und die Seele der  Menschen, die zu ihm kommen und die er mit den Kochbüchern beglücken kann.

Außer mir ist noch eine Kundin im Laden, die extra wegen der Bibliotheca nach Berlin gereist ist. Schnell kommen wir ins Gespräch und lassen uns Mohrs Schätze zeigen. Er findet alles sofort, bleibt keine Antwort schuldig und kann zu allen Werken eine Geschichte erzählen.

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Wieder und wieder bringt er uns unermüdlich und bedacht Werke, die wir nicht kennen, die uns aber völlig faszinieren: Eine handschriftliche Erstausgabe von 1730, Bücher, die die Notküche des zweiten Weltkriegs beschreiben oder ein Werk der Köchin Henriette Davidis, die 1840 ihr erstes Kochbuch schrieb und bis heute Menschen begeistert, die sich in Kochclubs zusammenfinden um nach ihren Rezepten zu kochen.

Mohr bringt uns das Dr. Oetker Schulkochbuch in Brailleschrift und das „Weiße Haus Kochbuch“ gewidmet „den Gattinnen unserer Präsidenten, welche das weiße Haus zierten“. In „Nationale Küchen“ aus dem Jahr 1984 beschreibt W.W. Pochljobkin die Kochkunst der sowjetischen Völker. Von Apfelkartoffeln bis Zwiebelkuchen werden volkstümliche Gerichte aus der DDR beschrieben.   Ich verfalle fast in einen Kaufrausch, um meine eigene Bibliothek zu ergänzen. Doch Mohr beschwichtigt mich und erzählt mir die Geschichte eines Kochbuchsüchtigen Kochs, dem er den Kauf weiterer Bücher untersagt hat, um ihn nicht zu ruinieren.

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Es war ein außergewöhnlicher Montag Mittag in der Bibliotheca-Culinaria. Ich wollte eine kurze Stippvisite machen und blieb drei Stunden. Meine Bahn zurück nach Hause habe ich erstmal sausen lassen. So sehr hat mich die Kochbuchsammlung und Johannes Mohrs Geschichten fasziniert. Kein Wunder, dass die internationale Presse das Geschäft als einzigartig erklärt und von Japan bis zu den USA Presseberichte über die Bibliotheca-Culinaria zu lesen sind.

Bibliotheca Culinaria Das Kochbuchantiquariat in Berlin-Mitte Zehdenicker Straße 16 10119 Berlin www.bibliotheca-culinaria.de

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