Was macht ein Foodstylist?
Mit Pinsel und Rasierschaum zum Hochglanz-Food-Foto? Künstliches Foodstyling war gestern. Wir haben Foodstylist Stevan Paul einen Tag lang bei der Arbeit begleitet und erfahren, wie zickig Petersilie sein kann und warum vor dem Shooting noch einmal liebevoll abgeschmeckt wird.
Mit Pinsel und Rasierschaum zum Hochglanz-Food-Foto? Künstliches Foodstyling war gestern. Wir haben Foodstylist Stevan Paul einen Tag lang bei der Arbeit begleitet und erfahren, wie zickig Petersilie sein kann und warum vor dem Shooting noch einmal liebevoll abgeschmeckt wird.
Es ist frostig auf dem Hamburger Isemarkt und die Morgensonne steht noch tief. Stevan Pauls Tag beginnt früh. Heute ist einer der Produktionstage für sein aktuelles Kochbuch „Deutschland Vegetarisch“. Sieben Gerichte sollen an diesem Tag geshootet werden. Bevor das Shooting im Fotostudio beginnt, kauft er die Zutaten frisch auf dem Wochenmarkt in Hamburg-Eppendorf ein. „Ich liebe den Isemarkt“, sagt der Foodstylist, Kochbuchautor und Food-Blogger, „die Auswahl und auch die Qualität der Produkte sind großartig.“
Stevan Paul kauft Kräuter, Kartoffeln, Pilze und Kürbis. Die Rezepte zu den Gerichten hat er genau im Kopf. Sie stammen alle aus seiner Feder, denn als Foodstylist ist man nicht nur für das Anrichten beim Foto-Shooting zuständig, man entwickelt und schreibt auch Rezepte. Dafür muss man professionell kochen können und das Handwerk perfekt beherrschen. Außerdem ist ein Blick für die Ästhetik von Speisen nötig, denn dieser Blick zeichnet gute Food-Fotos aus.
Foodstylist ist kein Ausbildungsberuf, meistens erreicht man ihn auf Umwegen. Stevan Paul hat mit einer klassischen Kochausbildung begonnen, später als Redakteur für Food-Zeitschriften gearbeitet, bevor er sich als Foodstylist und Autor selbstständig gemacht hat. „Das Allerwichtigste beim Foodstyling“, erzählt er, „ist die menschliche Kompetenz“. Denn anders als der Koch in der Küche, arbeitet man täglich mit Kunden und Fotografen zusammen. Bei langen Shooting-Tagen muss man Geduld mitbringen und absolute Konzentration. „Da ist eine buddhistische Gelassenheit gefragt“, erklärt er und schmunzelt, „wenn man zum hundertsten mal die Kaffeebohne von links nach rechts schiebt.“
Beim Shooting an diesem Dienstag Vormittag läuft jedoch alles glatt, denn Stevan Paul und die beiden Fotografen vom Fotostudio Kramp+Gölling sind gut eingespielt – das merkt man, denn die Stimmung ist gut und jeder Handgriff sitzt. Während Stevan Paul in der Küche Gemüse putzt und schneidet und auf einem alten, gusseisernen Herd die Speisen zubereitet, wird im Nebenraum das Licht und die Dekoration vorbereitet.
Jetzt geht es um die Wahl der Teller, des Untergrunds und der Accessoires. Im Fotostudio steht dafür eine immense Auswahl an Requisiten bereit. Zahlreiche Regale sind bis unter die hohen Altbau-Decken mit Geschirr gefüllt – thematisch geordnet nach der gewünschten Ästhetik: In einem Regal steht Asia-Geschirr bereit, in einem anderen rein-weißes Geschirr in allen Größen, in einem dritten ist wunderschönes antikes Geschirr gesammelt - eine Oase für Vintage-Liebhaber!
Die Auswahl für das heutige Shooting fällt auf einen Emaille-Teller, ein Holzbrett in Shabby-Optik, eine gusseiserne Pfanne und ein Tuch aus Halbleinen. Denn der Look, der sich durch alle Fotos des Kochbuchs durchzieht, ist urban-rustikal und schlicht. Die Accessoires passen zu Stevan Pauls kulinarischem Stil: Für „Deutschland Vegetarisch“ hat er die traditionelle, vegetarische Küche in den verschiedenen Regionen Deutschlands neu entdeckt.
Inzwischen duftet es in der Küche schon nach gebratenen Pilzen. Bevor Stevan Paul die Pilze in der gusseisernene Pfanne anrichtet, greift er zum Löffel und schmeckt noch einmal sorgfältig ab. Es fehlt noch eine Prise Salz, die schmeckt man zwar nicht auf dem Foto, für Stevan Paul ist sie trotzdem wichtig: „Ich mache keinen Unterschied beim Kochen für´s Shooting oder für meine Gäste“, erklärt er, setzt einen Klecks Creme Fraiche auf die heiße Pilz-Pfanne, der sofort verläuft. „Die Gerichte müssen auf den Bildern so aussehen, wie sie sind, nicht verkünstelt. So, wie man sie auch zuhause hinkriegen kann. Echt und authentisch.“ Stevan Paul ist mit Leidenschaft bei der Sache, er kann das Kochen in seinen Büchern so wunderbar vermitteln, weil er selbst ein absoluter Genießer ist.
Fertig ist die Pilz Pfanne, schnell wird sie nebenan in den Studio-Raum getragen. Zwei Holzklötze stehen schon bereit – dort, wo der Teller perfekt ausgeleuchtet ist und platziert werden soll. Das Foto selbst geht ganz schnell: Es piept, es blitzt und in nicht einmal einer Minute ist die Pilzpfanne im Kasten.
Nur ab und an kommt der Wagen mit Instrumenten und Besteck zum Einsatz, der im Studio-Raum bereit steht. Manchmal wird mit einer Sprühflasche ein wenig Wasser auf ein Gemüse gesprüht. Stoffhandschuhe verhindern Fingerbadrücke beim dekorieren. Pinzetten und Kellen erleichtern das Drapieren, wenn eine Speise doch einmal störrisch ist. Stevan Paul kommt aus der Küche und serviert den Emaille-Teller mit Kürbisstampf. Mittig soll krause Petersilie platziert werden – ein grüner Farbklecks auf dem orangenen Gericht. „Die Petersilie ist zickig, sie kippt ständig weg“, sagt er und legt noch einmal Hand an.
Nach jedem Foto geht der Blick auf den Monitor. Fehlt noch etwas? Ja, ein Glas Wein neben dem Teller. „Ein schöner Riesling aus dem Rheingau“, sagt Stevan Paul, „was Feines!“, und platziert die Karaffe und das Glas. Mit diesem Schuss sind dann alle zufrieden. Im Topf auf dem alten Herd ist noch Kürbisstampf übrig – der bleibt für später, denn am Ende des Shootings wird gemeinsam gegessen. Gut, dass das Essen so köstlich gewürzt ist und der Riesling ist ja auch schon offen.
Stevan Pauls Foodblog: www.nutriculinary.com